Bock-Kolumne vom Mai 2022 – Unsere Tochter wird diesen Sommer eingeschult. Sie fragen sich jetzt bestimmt, weshalb ich meine Kolumne mit diesem Satz beginne. Natürlich ist die Einschulung eines Kindes für die breite Öffentlichkeit nicht von Interesse. Doch lassen Sie mich weitererzählen. Mitte April erhielten wir von der Gemeinde die Klasseneinteilung. Demselben Schreiben konnten wir aber auch entnehmen, dass es bis eine Woche vor den Sommerferien dauern kann, bis wir den Stundenplan erhalten. Elf Wochen nach der Klasseneinteilung. Weshalb die Stundenplan-Erstellung so lange dauert, ist klar: Zuerst müssen alle Lehrpersonen gefunden werden. Und wie schwierig diese Suche ist, wissen wir alle.
Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass berufstätigen Eltern somit gerade einmal sechs Wochen bleiben, um die Kinderbetreuung für ein halbes Jahr zu organisieren oder die eigenen Arbeitstage umzustellen. Wobei fünf dieser sechs Wochen in den Sommerferien liegen, wo kaum jemand erreichbar ist.
Während ich als arbeitstätige Mutter in meinem Kopf also bereits vorsorglich alle möglichen Stundenplan-Kinderbetreuungs-Varianten durchspiele, lese ich in der Zeitung: «Das Bundesgericht modernisiert das Unterhaltsrecht. Die neue Praxis setzt auf Gleichstellung und finanzielle Eigenverantwortung.» Kurz gesagt wird neu von geschiedenen Frauen – und Müttern – grundsätzlich erwartet, dass sie für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen.
« Alle Eltern sollen die Möglichkeit haben, erwerbstätig und in einer Ehe wirtschaftlich unabhängig zu sein. »
Schon wieder ein Text, der etwas in mir auslöst. Denn aus meiner politischen Überzeugung unterstütze ich jeden Anstoss zu mehr Selbstverantwortung und auch Gleichstellung ist mir enorm wichtig. Und doch erkenne ich in diesem Urteil des Bundesgerichts eine Problematik: Die gesellschaftliche Realität hinkt hinterher. Gleichstellung darf nicht erst mit der Scheidung beginnen. Insofern hoffe ich, dass Politik, Unternehmen und jede:r von uns die Beschlüsse des Bundesgerichtes als Signal versteht, endlich Lösungen für eine echte Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu finden. Alle Eltern sollen die Möglichkeit haben, erwerbstätig und in einer Ehe wirtschaftlich unabhängig zu sein. Wichtige Schritte dafür sind die Einführung einer Individualbesteuerung sowie Kinderbetreuungskosten, bei welchen sich die Arbeit finanziell auszahlt. Aber auch kleine Schritte können die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vereinfachen – wie zum Beispiel die frühzeitige Festlegung von Stundenplänen.