
Ja zur OECD-Vorlage
Mai 23, 2023
Ich streike nicht, ich kandidiere.
Juni 14, 2023Gefährliche Selbstvermarktung der Gewerkschafter
Bock-Kolumne vom Mai 2023 – Er gehört zum Daily Business der Gewerkschaften: Der Ruf nach höheren Löhnen. Eigentlich sollte man meinen, dass diese Forderung in Zeiten von Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel leiser wird, denn der Markt regelt sich selbst. Wer einen Job sucht, hat heute gute Karten, um seine Forderungen in Bezug auf Lohn oder Arbeitspensum durchzusetzen. Firmen ihrerseits nehmen ihre Verantwortung als Arbeitgeber wahr und investieren viel Energie und Geld darin, im Kampf um gute Mitarbeitende zu bestehen.
Trotzdem fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) genau jetzt einen gesamtschweizerischen Mindestlohn für alle Branchen. Konkret soll dieser bei 4’500 Franken liegen; mit Berufslehre bei mindestens 5’000.-, auch schon direkt nach der Ausbildung. In Zeiten von Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel scheint diese Forderung wenig Konsequenzen zu haben. Doch die arbeitsmarktliche Situation verändert sich laufend. Ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn jedoch bleibt. Und was sich sozial anhört, ist bei genauerer Betrachtung brandgefährlich. Durch einen Mindestlohn steigen die Lohnforderungen aller Angestellten eines Unternehmens. Die Folge: Preise steigen und es wird weniger Personal beschäftigt. Opfer sind häufig die Schwächsten im System. Denn viele Unternehmen können es sich schlicht nicht mehr leisten, einen ungelernten Flüchtling, einen Lehrabgänger oder einen Hilfsarbeiter einzustellen, wenn nicht nur der Schulungsaufwand gross ist, sondern auch die Lohnkosten. Das Ziel, mit Mindestlöhnen Armut zu bekämpfen, wird also deutlich verfehlt. Im Gegenteil wird damit sogar vielen der Berufseinstieg verunmöglicht und damit die Chance verwehrt, durch Selbstverantwortung und Fleiss den beruflichen Ein- und Aufstieg zu schaffen.
« Das Ziel, mit Mindestlöhnen Armut zu bekämpfen, wird also deutlich verfehlt. »
Die Frage bleibt offen, ob die Befürworter des Mindestlohns diese drohenden Folgen wirklich nicht sehen oder ob sie diese sogar bewusst in Kauf nehmen, um ihre eigene Daseinsberechtigung zu fördern. Denn würde der Mindestlohn umgesetzt und käme es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aufgrund der unnatürlich hohen Lohnkosten zu Entlassungen, hätten die Gewerkschaften einen neuen Grund, um gegen Unternehmen zu wettern.
Wo wir schon bei ständigen Forderungen nach höheren Löhnen sind: Vor genau einer Woche wurde ein neues Themenfeld eröffnet, die Frauenberufe. Der SGB wittert hier eine Lohndiskriminierung. Mit der Gleichstellung müsse es nun endlich vorwärtsgehen, deshalb fordert er höhere Löhne in von Frauen dominierten Branchen. Was aber regulatorische Massnahmen bezüglich des Lohns von nur einem Geschlecht mit Gleichstellung zu tun haben soll, ist mir schleierhaft.
Der Grund für die durchschnittlich tieferen Frauenlöhne in der Schweiz liegt nicht in einer systematischen Diskriminierung, sondern unter anderem in der freien Berufswahl jeder einzelnen Frau. Hinzu kommen häufig zu beobachtende Unterschiede der Geschlechter bezüglich Karriereziele, Lohnforderungen oder der klassischen Rollenverteilung bei der Familiengründung. Vieles haben wir Frauen also selbst in der Hand. Wir müssen selbst um unsere Lohnerhöhungen kämpfen und unseren Töchtern auch Berufsfelder ausserhalb der klassischen «Mädchenberufe» schmackhaft machen. Das ist es, was ich unter Gleichstellung verstehe. Dass der SGB seine Forderungen mit dem Stempel der Gleichberechtigung versieht, ist nichts anderes als effekthascherische Selbstvermarktung.