Bock-Kolumne vom August 2023 – Als Land ohne Rohstoffe war die Schweiz schon immer auf kluge Köpfe und anpackende Hände angewiesen. Da überrascht es wenig, dass wir mit unseren 42 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit zu den europäischen Spitzenreitern zählen. Doch immer mehr Arbeitnehmer:innen leisten weniger als diese 42 Stunden Erwerbsarbeit pro Woche. Was auf den ersten Blick nach mangelnder Arbeitsmoral tönt, hat oft andere Gründe. Denn während die Arbeitstätigkeit der Männer leicht abnimmt, nimmt sie bei den Frauen deutlich stärker zu. Die Erklärung liegt auf der Hand: Beruf, Familie und Haushalt werden fairer aufgeteilt. Insgesamt steigt die Arbeitsleistung der Schweizerinnen und Schweizer sogar.
Doch leider spüren das längst nicht alle im Portemonnaie. Denn progressiv ansteigende Steuern; das Wegfallen der Prämienverbilligung für die Krankenkasse; Einkommensabhängige Tarife in der Kinderbetreuung – von allen Seiten wird ein Teil des Zweiteinkommens abgezwackt. Ich kenne Familien, die am Ende sogar draufzahlen. Und genauso kenne ich Familien, die ihre Arbeitspensen ganz bewusst auf einem relativ tiefen Niveau halten. Denn so geniessen sie erstens viel Freizeit und profitieren gleichzeitig von tiefen Steuern, subventionierten Preisen für die Kinderbetreuung sowie von hohen Prämienverbilligungen. Wer dies geschickt einfädelt, steht am Ende mit mehr Geld da als jemand, der tagtäglich sein 100% Pensum abliefert oder an der Organisation von Arbeit und Kindern beinahe zerbricht. Gleiches gilt übrigens auch für Alleinstehende oder Paare ohne Kinder. Auch hier kann sich ein Teilzeitpensum dank staatlicher Unterstützung finanziell als schlauer Schachzug erweisen.
Leuten, die diese Möglichkeiten zu ihren Gunsten nutzen, kann man keine Vorwürfe machen. Der Fehler liegt im System. Wie eingangs erwähnt, leben wir in einem Land, dessen Erfolg ausschliesslich auf der Leistung seiner Bevölkerung beruht. Dieser Erfolg ermöglichte uns den Aufbau von starken Sozialwerken, auf diese wir sehr stolz sein können. Doch deren Finanzierung ist und bleibt eine immense Herausforderung. Nur mit einer erfolgreichen Wirtschaft können wir unsere Sozialwerke auch für die kommenden Generationen sichern. Und dazu müssen wir Leistung belohnen. Und nicht jene stärker zur Kasse bitten, die wirklich anpacken. Wie schaffen wir das ganz konkret? Praktisch umsetzbare Möglichkeiten, um dies umzusetzen, sind die Individualbesteuerung von Ehepaaren; einkommensunabhängige Tarife bei der Kinderbetreuung oder Steuerabzüge für alle, die 100% ihrer möglichen Erwerbsarbeit leisten – Care Arbeit eingerechnet. Denn die Anpacker sind es, welche die Schweiz an der Spitze halten.